Halbzeit! Wie schnell die letzten Haarkräutermonate vergangen sind. Mir kommt es vor, als sei es noch gar nicht so lange her, wie ich im März mit Henrik Birkenknospen sammelte und wir so früh morgens schon rumalberten. Oder wie wir uns einen Monat später einfach mal stundenlang im Wald verliefen. Mir bereitet der Haarkräuterkalender unheimlich viel Vergnügen und ich hoffe, ich kann ein bisschen meiner Begeisterung mit euch teilen.
Romantisches Beruhigungsmittel: Lavendel (Lavandula angustifolia)
Dieser Monat hat einen alleinigen Showrunner. Das passt ganz gut, denn zum Lavendel lässt sich so viel erzählen, dass ich diesmal mit Freuden ausholen kann. Deshalb habe ich mich für die Unterteilung in Kapitel entschieden, damit alles einigermaßen übersichtlich bleibt.
Lavender is for lovers true,
Which evermore be faine;
Desiring always for to have
Some pleasure for their paine:
And when that they obtained have
The love that they require,
Then have they all their perfect joie,
And quenched is the fire.
– Clement Ronbinson (englischer Liedermacher & Poet),
aus “A Handful of Pleasant Delights” von 1584
Geschichten und Mythen
Der Lavendel ist bereits seit vielen Jahrhunderten als nützliche Pflanze bekannt. So schrieb der römische Gelehrte Plinius, der in den Jahren 23 bis 79 vor Christus lebte, in seinem Werk “Naturalis Historia”, dass bereits die Römer ihr Badewasser mit Lavendel parfümierten. Daher stammt auch der Name des Lavendels, denn lavare ist das lateinische Wort für waschen.
Der Arzt Pedanios Dioskurides schrieb im ersten Jahrhundert nach Christus das wohl bedeutsamste Werk der Arzneimittellehre der Antike, welches noch im Mittelalter als grundlegend galt. In der “Materia Medica“, die über tausend Monographien verschiedener Pflanzen umfasst, findet man Lavendel-Anwendungen bei Brustleiden, als Antidot, Hustenlöser und bei Blähungen. Bei Oberbauchbeschwerden und Verdauungsproblemen wird Lavendel noch heute genutzt.
Zitat aus “Materia Medica”, Dioskurides
In ihrem naturkundlichen Buch “Physica”, an dem sie zwischen den Jahren 1151 bis 1158 arbeitete, schrieb die Theologin Hildegard von Bingen über den Lavendel: “Der Echte Lavendel ist warm und trocken, weil er wenig Saft hat. Und er nützt dem Menschen nichts zum Essen, hat aber doch einen starken Duft. Und wenn ein Mensch, der viele Läuse hat, oft am Lavendel riecht, sterben die Läuse an ihm. Und sein Duft macht die Augen klar.”
Außerdem war der Lavendel in der Klosterheilkunde des Mittelalters als Medizin gegen Magenschmerzen und sogar gegen Lähmungen gerühmt.
Wisst ihr was eine Tussie-Mussie ist? Ich wusste es bis vor Kurzem auch nicht. Ab dem fünfzehnten Jahrhundert waren Tussie-Mussies, oder im englischen auch Nosegay genannt, absoluter Trend. Die Bezeichnung setzt sich aus den Worten Tussock, was für Grasbüschel steht, und Moss, also Moos, zusammen. Es handelt sich dabei um eine winzige Vase samt Halterung, die man mit duftenden Kräutern und Blumensträußchen füllte und an der Kleidung befestigte. In England findet man Nosegays teilweise noch heute, zum Beispiel auf Hochzeiten.
Damals wollte man mit der Tussie-Mussie den Gestank auf den Strassen übertünchen und glaubte an eine schützende Wirkung der Kräuter gegen allerlei Krankheiten und besonders gegen die Pest.
Im viktorianischen Zeitalter, die zweite Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts, bekam die Tussie-Mussie eine weitere Bedeutung hinzu. Wie man damals am französischen Hofe zum Beispiel mit Fächern kommunizierte, waren es in England die Tussie-Mussies. Die Sprache der Blumen. Tatsächlich gab es zahlreiche Blumenwörterbücher, die die etwaige Bedeutung dieser beschrieb. Welche Blumen wurden für die Tussie-Mussie ausgewählt, wie waren sie angeordnet oder gebunden, wie war der Zustand und in welcher Anzahl waren sie vorhanden. Das bietet zahlreiche Möglichkeiten für verschlüsselte, meist romantische Botschaften zwischen den jungen Damen und Herren. So stand die Pfefferminze zum Beispiel für “Ich verzeihe dir”, aber auch “Bitte verzeihe mir”. Das Gänseblümchen war das Zeichen der Unschuld, die rote Rose stand natürlich für Liebe, die gelbe allerdings für Untreue oder dahinschwindene Liebe und Vergissmeinnicht für die endlose, wahre Liebe. Der Lavendel jedoch bedeutete Zielstrebigkeit und Hingabe.
The Proposal von John Pettie, aus dem Jahre 1869 (Public Domain)
Ein Exkurs in die Welt des Aberglauben und der Magie, darf im Haarkräuterkalender natürlich nicht fehlen!
So war man im Mittelalter der Annahme, dass Geister nicht ins Haus eindringen könnten, wenn man die Schlüssellöcher der Türen mit Lavendelkraut zustopfte. Ich komme gerade frisch aus dem Kino und habe mir den Gruselfilm “It Follows” angesehen. So ein bisschen Lavendel hab ich ja bestimmt noch für unsere Wohnungstür übrig. *bibber*
Ein weiterer Anhaltspunkt, dass man schon damals sehr genau wusste, wie beruhigend der Lavendel wirkt, ist der Ratschlag den man streitenden Paaren gab. Man solle einfach Lavendelblüten zwischen die Bettlaken stecken und schon würde Harmonie im Schlafzimmer einkehren. Dazu passend ist die Überlieferung, dass Liebesbriefe gerne mit Lavendel beduftet wurden. Dies sollte den Empfänger vom Egoismus befreien und romantische Gefühle, sowie Zuneigung in ihm wecken. So ist es nicht verwunderlich, dass Lavendel eine der Hauptzutaten in Liebeszaubern war.
Wirkung und Anwendungsgebiete
Im Haarkräuterkalender ist der Lavendel, weil seine Blüten für beinahe jedes Haar als gute Spülung dienen. Egal ob eher schnell fettend, trocken, fein oder unkompliziert. Lavendel eignet sich besonders gut bei sensibler, gereizter (Kopf-)Haut und bei häufiger Haarwäsche. Das ätherische Lavendelöl wirkt zudem zellerneuernd und eignet sich hervorragend um kosmetische Produkte zu desodorieren, sofern man den Duft mag.
Die hauptsächlichen Anwendungsbereiche des Lavendels sind Einschlafstörungen, Unruhezustände, generell Stress, aber auch Angst. Also ein richtiges Nervenkraut. Der Lavendel wirkt beruhigend, leicht angstlösend und hilft uns zu entspannen. Bestimmt kennt ihr diese kleinen Lavendelkissen, die man sich ans Bett legen kann um besser einschlummern zu können. Ich plane gerade ein kleines Kissen mit Baldrian, Hopfenzapfen, Melisse, sowie (natürlich) Lavendel zu nähen. Schlafpflanzenpower to the rescue! :D
Falls er nicht schon längst als duftende Zierde in eurem Garten wächst (Oje, wie gerne hätte ich einen!), gibt es Lavendel im Töpfchen oder als Saatgut in Gärtnereien. Bereits getrocknet als Tee finden sich die Blüten in gut sortierten Bioläden und Drogerien, aber natürlich auch im Teehaus oder in der Apotheke. Zwar ist der Lavendel in Deutschland kultiviert, stammt ursprünglich aber aus dem Mittelmeerraum, wo die weitläufigen Lavendelfelder wie lila Teppiche in der Landschaft ausliegen. Südfrankreich, irgendwann besuche ich dich!
Rezept: Lavendelessig als Gesichtswasser und Haarspülung
Zwar lässt sich aus den Lavendelblüten, wie immer, ein guter Haartee kochen, aber wir gehen diesmal einen kleinen Schritt weiter. Denn aus Lavendel lässt sich sehr einfach ein guter Lavendelessig zaubern, den man mit Wasser verdünnt als Toner für das Gesicht oder auch als Rinse nach der Haarwäsche verwenden kann.
Dafür braucht es nichts weiter, als ein Bündelchen getrockneten Lavendel, ein Behältnis aus Glas und Weißweinessig in Bio-Qualität. Wobei das natürlich auch mit anderen Essigsorten, wie Apfelessig, funktioniert.
Das Bündel kommt in das Glasgefäß, was optimalerweise ein Schraubglas oder eine Flasche mit breitem Hals ist. Der Essig kommt dazu und sollte das Bündel komplett bedecken. So muss der Lavendelessig nun einige Wochen im Sonnenlicht stehen. Pi mal Daumen zwischen zwei und sechs Wochen. Wichtig ist, dass das Glas einmal am Tag geschüttelt wird. Sobald die Wartezeit vorüber ist, kann das Sträußchen Lavendel herausgenommen oder herausgefiltert werden und unser Lavendelessig ist fertig. Wer mag, kann noch ein paar wenige Tropfen ätherisches Lavendelöl für den Duft dazu geben. Er sollte sich über ein Jahr halten, wenn er kühl oder auf Zimmertemperatur und vor Allem dunkel gelagert wird.
Um ihn als Gesichtswasser oder Haarspülung zu verwenden, muss er allerdings mit Wasser verdünnt werden. Das optimale Verhältnis kommt stark auf euer Wasser, aber auch auf eure Haut und euer Haar an, daher ist das ein Schritt bei dem ein wenig experimentiert werden kann. Ich wähle meistens ein Verhältnis von einem Teil Essig auf fünf bis zehn Teile Wasser.
Wow, jetzt habe ich euch aber ganz schön zugetextet. :) Ich hoffe euch hat dieser Exkurs in die Welt des Lavendels gefallen und ihr habt vielleicht Lust bekommen, selbst mal etwas mit Lavendel zu versuchen. Besonders Spass hatte ich diesmal an der Recherche zur Geschichte und zu den Mythen rund um den Lavendel, daher nimmt dieses Kapitel auch einen so großen Teil des Artikels ein.
Habt ein gemütliches, stressfreies Wochenende.
Kaffeekasse
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Super Artikel! Danke für deine Mühen, uns soweit in die Geschichte zu entführen! War höchst interessant und sehr vergnüglich zu lesen! Möglicherweise kommt von damals auch der Ausdruck: „Tussie“?!
Liebe Grüße, Antje
Hallo Antje :D
Hab vielen Dank! Mir hat das Recherchieren auch wirklich viel Spass gemacht.
Jetzt musste ich doch einfach mal kurz danach suchen: Laut einigen Quellen die ich via Google fand, leitet sich „Tussi“ von Thusnelda ab. Das war eine Germanin, die um Christi Geburt gelebt hat. Wohl schrieb Kleist in seiner Hermannsschlacht über sie und da das Werk später im 20. Jahrhundert zur Schullektüre wurde und man wohl von der Thusnelda aus dieser Geschichte so genervt war, hat man sie zum Schimpfwort degradiert.
Liebe Grüße,
Erbse
Liebe Erbse.
Kann deine Liebe zu Lavendel nur zu gut verstehen. Ich liiiebe ihn auch. Ich habe heuer erstmalig Lavendelsirup hergestellt – schmeckt mega lecker mit Mineralwasser und Zitrone oder als Erfrischung im Sektglas :O
Liebe Grüße, Lisa
Hey LisaMarie,
oh, das stelle ich mir auch wahnsinnig lecker vor! :D Das probiere ich auf jeden Fall aus. Danke. <3
Viele liebe Grüße,
Erbse
Oh ich liebe Lavendelessig hab den früher immer verwendet von einem bestimmten Geschäft den gibt es aber schon lange nimmer und jetzt kann ich ihn selbst machen danke dafür :))))!!! Lg Babsi
Hey Babsi,
juchu! :D Dann wünsche ich dir viel Freude mit deinem selbstgemachten Lavendelessig.
Viele liebe Grüße,
Erbse
Und zack! Nachgemacht :D freu mich schon drauf, den dann mal auszuprobieren. Danke fuer deine tollen inspirationen! <3
LG Kathi
Oh, na du warst aber schnell! :D
Gerne. <3 Ich hoffe du magst den Lavendelessig so sehr wie ich. Ein paar Tröpfchen ätherisches Lavendelöl macht die Sache noch feiner (für die Nase).
Alles Liebe,
Erbse
Ah, was für ein schöner Beitrag – ein ruhiger Nachmittag zum Scrollen hat sich damit schon voll bezahlt gemacht.
Ich mag Lavendel inzwischen so gern! Früher habe ich das Kraut immer als „Omageruch“ abgetan, aber mit einem „Lavender-Spritz“ für müdes third-day-hair hat sich das komplett verändert, ich finde Lavendel Duft inzwischen angenehm beruhigend, heimlig und irgendwie erwachsen.
Und: Es ist so logisch und doch ist es mir nie aufgefallen Lavendel = lavare! Ah! :)
Danke für das Rezept, das probiere ich sicher noch aus.
Hey! :D
Schön von dir zu lesen. Danke dir!
Mir ging es lange Zeit ganz genauso. Lavendel war „Omageruch“. Aber mittlerweile liebe ich es sehr. Omas wissen halt was gut ist. ^^
Bin gespannt wie dir der Lavendelessig fürs Haar und so gefällt.
Viele liebe Grüße,
Erbse
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Liebe Erbse,
ich mag Lavendel sehr gerne und finde den Duft ebenfalls beruhigend und irgendwie gemütlich.
Was machst du mit dem Lavendel, sobald der aus dem Glas gefiltert wird? Kann man den abspülen und ggf. als Raumduft nutzen? Fände es sonst schade, ihn einfach zu entsorgen.
Viele Grüße, Damla. ♥
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